Begegnungen im Zug, die das Leben verändern können, …
Es gibt Frauen, die blühen in der Mutterschaft regelrecht auf.
Das Haar wird voll,
der Teint klar und blühend
die Augen strahlen
und um die Mundwinkel spielt beständig ein sanftes Lächeln.
Die Stimme ist durchgehend zärtlich und liebevoll.
Wie ich heute feststellen musste, ist das bei mir überhaupt nicht so.
Mein Haar wurde dünner - besonders als ich stillte. Erst jetzt wagt so manches kleines Härchen einen Vorstoß auf die Lichtung.
Mein Teint ist dem Umstand geschuldet, dass ich Schlaf mit Schokolade kompensiere, und zeigt sich daher leicht wimmerlbehaftet.
Die Augen strahlen auch - allerdings einen leicht irren Glanz aus
und auf der Kinnspitze kämpfen Mundwinkel und Augenringe um die Vorherrschaft.
Warum ich das jetzt so genau weiß? Nach meiner Zugbegebenheit hab ich mich vor den Spiegel gestellt, mich prüfend betrachtet und habe leider das o.a. festgestellt.
Dabei hat alles recht harmlos angefangen.
Ein gepflegter Mann, Alter um die 60, deutliche Ähnlichkeit mit Pierre Price, setzt sich im Zug mir gegenüber. Nach einen Blick auf Fenster, und dann auf mich, fragt er ob ich die Rollo herunten brauche. Ich deute auf das Zeug in meiner Hand und meine: Licht kann nie schaden, woraufhin er feststellt, dass Licht beim Stricken allgemein sehr hilfreich ist.
Ich dacht mir: Oh - ein Eingeweihter - und habe mich gefreut. Hat erkannt, dass ich mit mehr als einer Nadel arbeite!
Er betrachtet die Landschaft, schließt die Augen, macht sie wieder auf, holt seine Unterlagen aus der Aktentasche, liest, legt sie weg, schaut mir beim Stricken zu.
Irgendwann fragt er mich: Was wird denn das? Socken?
Oho - ein richtig wissender - fünf Nadeln! - Socken!
Ich kram mein bereits fertiges Teilchen hervor, halte es hoch und verkünde: Babyschüchen!
Die nun kommende Frage sollte mein Leben verändern:
“Fürs Enkerl?”
Ich habe wirklich kurz überlegt meine Mundwinkel auf Nasenloch-Niveau zu heben, leicht auf meinen Bauch zu deuten und mit verklärtem Lächeln ein “siebendes Monat” zu flüstern.
Nur der Umstand, dass ich keine wagonübergreifende Diskussion über künstliche Befruchtung von Frauen im Greisenalter iniziieren wollte, lies mich leicht verkrampft: “Arbeitskollegin” hervorstoßen.
Die Verabschiedung bestand - ich gestehe es - aus einem kühlen Nicken.
Ich muss dringend an meinem Aussehen arbeiten.